Interview mit Björn Vofrei von Hannoverliebe!

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Team von Hannoverliebe!

 
Eine Gruppe Hannoveraner macht Ihre Liebe zur Stadt zum Beruf. Wir haben uns mit Björn Vofrei, dem Treiber der Initiative Hannoverliebe! unterhalten. Warum Hannoveraner Ihre Stadt lieben und weshalb man sich nicht vor anderen Metropolen verstecken braucht, erklärt uns Björn im Interview mit Gründerimpuls-Autor Bernd “Tiga” Schwope.

Magst du in in zwei, drei Sätzen erklären, was Hannoverliebe! ist?
Nun, das ist eine sehr vielschichtige Angelegenheit. Im Wesentlichen sehen wir uns als Identitätsstifter. Wir schaffen emotionale Beziehungen zu Hannover durch bewusste, authentische Kommunikation. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Vorzüge der Region an die Menschen heranzutragen, interessante Begebenheiten und bestehende Projekte mit kulturellem und sozialem Hintergrund sichtbar zu machen und Impulse zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensraum zu geben. Hannover hat einfach viel zu bieten.

Unsere Arbeitsweise:

Und wie sieht das konkret aus?
Am bekanntesten ist Hannoverliebe! als Online-Format, wobei wir auch viele Aktionen (Zukunftsworkshops, Messestände etc.) offline machen. Mit am bekanntesten ist das Projekt »Lieblingsorte«, eine OSM basierte Strassen/Landkarte, mit verschiedenen Kategorien wie z.B. »Lieblingsorte«, in der die Nutzer ihren persönlichen Lieblingsort mit Foto und Geschichte verortenkönnen – aber auch Badeseen und öffentliche Toiletten. So lässt sich Hannover entdecken und sich mit dem eigenen Lebensraum identifizieren. Seit dem letzten Update sind unsere mobilen Zugriffe gestiegen, die Lieblingsorte-Karte bietet vielen Besuchern von Hannover einen Stadtführer und Orientierungsgrundlage. Neulich haben wir auch eine Gruppe asiatischer Touristen beobachten können, wie sie sich die Karte in der U-Bahn angesehen haben. In der nächsten Zeit werden wir mehr in dieses System investieren und weiteren Content zur Verfügung stellen: Das Einbinden von mehreren Partnern wie den Kioskguide (Link: http://kioskguide-hannover.de/) oder Spielplatznet (Link:spielplatznet.de) aber auch die Erweiterung durch verschiedene Kategorien ist angedacht: wo ist der nächste Wickelplatz, Museen und Galerien, wo sind barrierefreie Cafés, kulinarische Köstlichkeiten, Partymelder und und und…

Wir betreiben auch weiterhin unsere Video-Umfrage mit der Frage: »Ich liebe Hannover, weil…?« in der wir Liebeserklärungen zu unserer Stadt einsammeln und auf der Karte verorten – aber auch kritisch fragen, was man noch verbessern könnte. Diese Erkentnisse bereiten wir auf und leiten sie dann an die Institutionen weiter, die dies ändern können und sollten. So können wir Sichtbarkeit für Anliegen der Bürger schaffen und aktiv einen Beitrag zur Bürgerbeteiligung leisten. Durch die Verortung auf der Karte können wir ein Stimmungsbild der Stadt zu bestimmten Fragestellungen zeichnen. Diese Abläufe sind aber eher im Hintergrund und stehen nicht im öffentlichen Fokus.

Ein Zusammenschnitt:

Best-Of Maschseefest:

OB-Kandidaten im »Ich liebe Hannover, weil…« Interview:

Lieblingsorte auf der Karte:

Map

Ihr macht also was eigentlich Aufgabe des Stadtmarketings und der Stadtverwaltung ist?
Ja, vielleicht schon. Von offiziellen Seiten der Stadt gibt es zu uns aber wenig Berührungspunkte. Wir haben ein/zwei Mal versucht anzuknüpfen, bisher aber nichts konkretes Umgesetzt. Beim Thema digitale Identität und soziale Medien ist in Akzeptanz und Umsetzung noch Luft nach oben. Viele andere Städte realisieren die Relevanz, sich zeitgemäß in neuen und vor allem mobilen Medien zu positionieren. Manche aber unterliegen noch der Fehleinschätzung, dass dieses Internet eine Modeerschinung ist und nur von Jüngeren bedient wird. Wenn man sich mal die Nutzerzahlen anguckt, liegt der Anteil der Nutzer breit gefächert in allen Altersklassen – Tendenz steigend!

Hört sich nach den Propheten, die in der eigenen Stadt verkannt werden, an.
In Anbetracht der Aufträge, die wir im Rahmen von Hannoverliebe! im hiesigen Umfeld machen mag das noch stimmen. Vielleicht hat man uns immer als Künstlerkollektiv oder kleines Start-Up gesehen, die da mal was mit Medien machen und zufällig rund 10.000 Fans in diesem Facebook haben. Jetzt wo unsere Projekte größere Reichweite haben, wir auf Beschluss der Bundesregierung als »Kultur- und Kreativpiloten« als innovatives Geschäftsmodel ausgezeichnet wurden und wir bundesweit Aufmerksamkeit bekommen ändert sich das – man flirtet.

Aber lässt sich damit für euch Geld verdienen?
Wie gesagt, mit dem Thema Hannoverliebe! verdienen wir hier in der Stadt nicht direkt. Durch unsere Erfahrung und den Erfolg des Projektes beraten wir andere Städte, Kommunen und Institutionen wenn es um digitale Identität, Kommunikation, Beteiligungs- und Partizipationsprozesse geht. Kunden aus der Wirtschaft wie IBM Deutschland oder Volkswagen haben die Relevanz unserer Arbeitsweise erkannt und arbeiten mit uns zusammen. Die technischen Lösungen wie die redaktionelle Schnittstelle der Lieblingsorte-Karte oder eine Beteiligungs-App können wir als White-Label Lösung anbieten und das gesamte strategische Kommunikationskonzept drumherum denken und umsetzen.

Ihr arbeitet auch mit dem Kinderkrankenhaus „Auf der Bult“ zusammen.
Ja! Die Identitätsstiftung, also die „Agentur“ hinter Hannoverliebe! arbeitet als Kreativ-/Design-Agentur für verschiedene Unternehmen im ganzen Bundesgebiet. Das Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult ist uns ein wichtiges Thema. Uns ist sehr wichtig mit wem und für was wir arbeiten. Einen Mehrwert für die Lebensqualität zu bieten ist uns besonders wichtig. Beim Thema Kinder- und Jugendkrankenhaus ist es eine höchst verantwortungsvolle Arbeit, da es um ein sehr emotionales Thema geht. Wenn Eltern mit ihren kranken oder verletzten Kindern in das Krankenhaus kommen ist es immer eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten die etwas mit dem Ungewissen zu tun hat. Da unterstützen wir das Kinder- und Jugendkrankenhaus mit verschiedenen Arbeiten, z.B. dass Kindern im Vorfeld die Angst vor dem Krankenhaus genommen wird. Dazu aber mehr zum Ende des Jahres!

Generell ist ein Kinderkrankenhaus uns wichtiger als ein Alkohol- oder Zigarettenhersteller – finanziell interessante Anfragen aus Richtung Jägermeister oder Reemtsma haben wir direkt abgelehnt. Als Kommunikationstreibender hat man immer eine Verantwortung der man sich auch bewusst sein sollte! Wie schon Stan-Lee über Spiderman sagte: »Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.« 🙂

Ein weiteres gutes Beispiel ist das Projekt »smarter being« mit IBM Deutschland und dem „Teen Spirit Island“ – der Kinder- und Jugendpsychatrie auf der Bult die sich vorrangig um Jugendliche mit Computer- und Internetsucht kümmern. Im Dialog mit Patienten wurden Szene-Sportler und Musiker eingeladen um Workshops mit den jungen Patienten durchzuführen. Kurzvideos der Aktion wurden über unsere Online-Kanäle veröffentlicht und erreichten über 20.000 Aufrufe. Als Abschluss des Projektes performten die Workshopleiter auf dem CeBIT-Stand der IBM vor rund 30.000 Besuchern. Ein Win für alle Beteiligten: IBM steht im Fokus der Presse und platziert sich in der Zielgruppe der „Digital Natives“. Das „Teen Spirit Island“ generiert Spendengelder und Aufmerksamkeit für die Problematik der Computer- und Internetsucht, die Patienten erhalten einen Zusatz für die Therapie und die Akteure bekommen Aufmerksamkeit für sich und ihre Disziplinen.

Artist-Video:

Best-Of IBM:

Wie viele Leute arbeiten bei Hannoverliebe?
Wir sind zzt. zu sechst in einer noch grösseren Bürogemeinschaft in der Karmarschstrasse gegenüber der Markthalle – unser persönlicher Lieblingsort! Wir haben ein festes Team mit verschiedenen Kompetenzen aus verschiedenen Disziplinen. Wichtig ist uns bei jedem Problem zu entscheiden, wer noch relevant für die jeweillige Fragestellung ist – nicht jede Ästhetik ist die richtige und nicht jeder Kopf denkt gleich über Lösungen nach. Daher ist der Austausch mit weiteren, freien Umsetzern wichtig und immer willkommen um nicht immer das selbe zu produzieren. Das vernetzen von regionalen selbständigen Talenten ist schon immer ein Kernbestandteil der Arbeit mit Hannoverliebe! – wir hoffen so einen Anreiz zu schaffen nicht nach dem Studium in die grossen ach so tollen Metropolen abzuwandern, weil es nur da die tollen Projekte gibt.

Was hast du vor Hannoverliebe gemacht?
Ich habe, hier an der FH-Hannover (nun HsH) Kommunikationsdesign studiert. Erst Diplom und später noch den Master of Arts, mit dem Thema: „Identitätsarbeit als Grundlage für den Designprozess“, wo ich den Prozess der Identitätsarbeit methodisch beschrieben habe – Hannoverliebe! ist quasi mein Proof of concept.

Wie siehst du deine eigene Entwicklung als Start-Up-Unternehmen?
Ich weiss nicht, ob ich uns als klassisches Start-Up Unternehmen bezeichnen würde. Heute wird ja des Gründen wegens gegründet. Anfangs war die Idee ein ideelles Projekt zu schaffen, was uns als Einzelunternehmer eine Referenz schafft. Das es nun in solch Strukturen gewachsen ist, ist für uns natürlich in Ordnung und weiterhin ausbaufähig! Die Erkenntnis das Unternehmertum als kreativen Prozess und Aufgabe zu sehen war ein wichtiger Schritt. Da hat uns das Coaching während der Preisträgerphase der »Kultur- und Kreativpiloten« Auszeichnung, sehr geholfen. Ansonsten kämpfen wir mit vielen Aufgabenstellungen die ein klassisches Start-Up Unternehmen zu bewerkstelligen hat: einfach mal Anfangen, Struktur schaffen, Recht und Steuern, Erfolg und Wachstum, Misserfolg, Optimierung und Neuausrichtung – alles im stetigen Wechsel!

Was plant ihr für die Zukunft?
Die Identitätsstiftung unternehmerisch weiter ausbauen, gesundes Wachstum des Teams, mehr Umsetzungskompetenzen direkt vor Ort und weiter Expertise zum Thema »Kollektive Identität und Identitätsvermittlung im urbanen Raum« aufbauen, weiterhin an eigenen Produkten arbeiten und die Methode hinter Hannoverliebe! in andere Städte adaptieren. Demnächst kommt eine Erweiterung der Hannoverliebe!-Seite auf der wir mehr Content anbieten werden: ein Videoformat zu den »unsichtbaren Machern« dieser Stadt und noch eine mobile Anwendung als Stimmungsbarometer der Stadt. Im nächsten Jahr werden wir noch ein Europaprojekt umsetzen und begleiten. Ansonsten lassen wir uns überraschen, was die Zukunft so bringt und wer an unsere Tür klopft. So lange wir Spaß an unserer Arbeit haben sind wir auf alles bestens vorbereitet.

Herzlichen Dank an Björn Vofrei von Hannoverliebe! für das Interview. Weitere Informationen unter: www.hannoverliebe.de

Das Interview wurde von Gründerimpuls-Autor Bernd “Tiga” Schwope geführt.

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